EINLEITUNG
Dieses Online-Lexikon soll als Bestandaufnahme der heute noch existierenden edelfreien bzw. ursprünglich edelfreien Geschlechter im deutschsprachigen Raum dienen.
Warum eine solche Bestandaufnahme? Die Edelfreiheit ist die erste Adelsquelle
in den zum Mindesten auf deutschem Boden sich niedergelassenen germanischen
Stämmen. Sie geht wohl ohne Zweifel auf deren Edelinge zurück.
Die Edelfreiheit ist daher ein landrechtlicher Stand und nicht wie der
spätere niedere ritterschaftliche Adel ein auf Dienst- und Lehenrecht
begründeter Adel, dessen landrechtliche Qualität von der Unfreiheit
bis zu den verschiedenen Formen minderer Freiheiten umfasste zu dem
sich auch später Elemente edelfreier Geschlechter gesellten.
Die Edelfreien waren ursprünglich Großgrundbesitzer. Aus
ihnen wurden unter den Karolingern die Grafen ernannt, deren Aufgabe
es war in einem Gau, die Rechtsprechung auszuüben. Außerdem
hatten sie auch sonstige z.T. militärische sowie zivile Aufgaben.
Einige dieser Grafen schafften es mehrere Grafschaften in ihre Hände
zu bekommen und begründeten dann mehr oder weniger große
Territorien. Andere besonders einflussreiche Männer schafften es
Herzöge ihrer Stämme zu werden. Wieder andere, verarmt oder
aus religiösen Gründen gehen in verschiedene Arten der Hörigkeit
ein. Dies scheint besonders häufig um das Jahr 1000 geschehen zu
sein. Interessant ist hier die Tatsache, dass bei diesen "Liten"
der ehemalige Stand, also quondam nobilis angeben wird. Was
das zu bedeuten hat, ist nicht unbedingt klar. Einige Historiker gehen
davon aus, dass hier die Möglichkeit offen blieb, wieder in den
alten Stand zurückzukehren.
Die edelfreien Geschlechter, die das Jahr 1000 "überstanden"
und in der Zwischenzeit auf Grund ihrer Grafschaftsrechte und sonstiger
Regalien langsam eine Territorialherrschaft aufbauten, wurden z.T. zu
den Ahnherren der späteren Reichsfürsten, Grafen und Edelherren
(Freiherren) auch von den Historikern Dynasten genannt, wobei der "freie
Herr" kein Titel sondern eine Standesbezeichnung war, die die Grafen
einschloss, die nicht fürstlichen Ranges waren. Es kann auch teilweise
nachgewiesen werden, dass diese Edelherren jüngere Zweige von Grafengeschlechtern
waren. Im Zuge der Feudalzeit hatten auch diese Edelfreien Lehnhöfe,
mit freien Lehnsleuten sowie Dienstmannen. Dies ist auch bei solchen
Geschlechtern zu beobachten, die keine geschlossene Herrschaft hatten.
Diese Bestandsaufnahme soll in kurzen Artikeln zeigen, was aus diesen
Geschlechtern geworden ist. Sicher der größte Teil ist bekannt,
da wir diese Familien zu einem großen Teil in den deutschen Fürsten
und Grafen finden, die bis Ende des Heiligen Römischen Reiches
(1805/06) regierten bzw. bis 1918. Ihre Biografien sind in der einschlägigen
Literatur veröffentlicht. Sie finden aber natürlich auch hier
ihren Platz.
Eine wenig oder eigentlich sogar nie beachtete Tatsache ist, dass die
Nachkommen morganatischer Ehen in der einschlägigen Literatur als
neue Familien, bzw. neuer "Adel" betrachtet werden. Dies ist
insoweit falsch, da sie sich biologisch über den fürstlichen
Vater auf den ersten edelfreien Ahnherrn zurückleiten. Durch das
partikulare fürstliche Hausrecht, welches bis zu einem gewissen
Grad auch Staatsrecht war, wurden die ungleichen Nachkommen von der
Nachfolge in der Regierung ausgeschlossen, nicht aber vom Adel. Die
Besonderheiten der Edelfreiheit wurden im Laufe der Zeit durch das Nebeneinander
und der in sich eingreifenden anderen Adelsrechte verdunkelt. Sehr oft
wurden die ungleichen Ehefrauen in den Adelsstand versetzt oder erhielten
Titel, wobei diese auch auf die Kinder des Ehepaares übergingen.
Wenn nun tatsächlich so die entsprechende nichtadelige Ehefrau
in den Adel versetzt wurde, so erbten die Kinder den Adel ihres Vaters.
Eine Adelsübertragung durch Frauen hat es in Deutschland nie gegeben,
dagegen konnten Kinder ihre Titel und Namen erben, wie die Geschichte
einiger der hier aufgezeigten Geschlechter zeigt. Wie solche Fälle
wohl vor dem 18. und 19. Jahrhundert geregelt wurden, zeigt uns ja gerade
der noch ins Ende des Mittelalters zurückreichende Fall der heutigen
Fürsten zu Löwenstein. Ein ganz aufschlussreicher Fall ist
die Geschichte der hl. Bathilde (c 635-680), die ursprünglich als
angel-sächsische Sklavin nach Freilassung mit dem König Chlodwig
II. von Neustrien, Burgund und Austrasien verheiratet war. Ihre Nachkommen
führten das Geschlecht der Merowinger weiter. Aber auf Grund des
oben erwähnten partikularen Hausrechts des Hochadels wurden in
der Neuzeit diese Nachkommen von der Nachfolge in der Regierung des
Territoriums ausgeschlossen, nicht aber vom ursprünglich landrechtlichen
Adelsstand, wie uns das auch der Fall der Halbgeschwister der Liselotte
von der Pfalz zeigt. Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz heiratete
in zweiter Ehe morganatisch Marie Luise v. Degenfeld. Sie und ihre 13
Kinder erhielten den Titel Raugrafen zu Pfalz sowie das dazugehörige
Lehen, das den Pfalzgrafen gehörte und auf ein ausgestorbenes edelfreies
Geschlecht zurückging. Wenn diese Nachkommen von der Nachfolge
in der Pfalz ausgeschlossen wurden, so gingen sie aber über ihren
Vater biologisch auf den ersten bekannten Ahnherrn der Wittelsbacher
zurück. Anders liegt es tatsächlich bei den ritterschaftlichen
Familien. Diese Geschlechter hatten ihren "Adel" auf Grund
des Dienst- und Lehenrechts und mussten ihn ständig neu verteidigen
und beweisen, um weiterhin als rittermäßig zu erscheinen.
Hier wurde der alte ritterliche Stand von beiden Seiten verlangt und
oft über viele Generationen, um weiter bestehen zu können.
Nachkommen aus "ungleichen" Ehen wurden daher als nicht rittermäßig
angesehen und wurden von der entsprechenden Ritterschaft "ausgestoßen".
(Ein "Beruf" kann nicht vererbt werden, er muss jedesmal neu
erlernt werden, dieses ist das Prinzip des ritterschaftlichen Adels.)
Auf Grund der Erblichkeit der Edelfreiheit (nicht des Territoriums)
haben auch diese Nachkommen ehemals regierender oder standesherrlicher
Geschlechter hier ihren Platz.
Weiter werden die Geschlechter hier aufgeführt, die in der einschlägigen
genealogischen Literatur und den Lexika als "ursprünglich
edelfrei" aufgeführt werden, denn auch sie haben ihren Anschluss
an diese erste Quelle des deutschen historischen Adels.
Alle anderen Geschlechter, die nicht in Adelsmatrikeln bzw. Lexika und
einschlägigen Handbüchern geführt werden, können
hier aufgenommen werden, falls eine Abstammung von einem edelfreien
Geschlecht vorliegt. (Prinzip des "verdunkelten
Adels")
Dieses Lexikon soll auch, auf Grund des in Deutschland herrschenden
Namenrechts, darauf hinweisen, dass es soweit wie bekannt, Namensträger
gibt, die mit dem entsprechenden Geschlecht nichts zu tun haben und
somit nicht edelfreien Ursprungs sind und demnach mit der entsprechenden
Familie nichts gemein haben. Die entsprechenden Artikel zu dem Geschlecht
zeigen dieses auf.
Paris, im Mai 2006
Edler Herr Michael v. Bentler, V.E.Ö., Docteur en Histoire et Civilisations, Diplômé de l'École des Hautes Études en Sciences sociales, (EHESS).
email: michael@benteler-bentler.org